ULTRA VERARBEITETE LEBENSMITTEL: NOVA-KLASSIFIZIERUNG
Ein Trend der letzten Jahre, der sowohl für Industrie- als auch für Entwicklungsländer typisch ist, besteht in der kontinuierlichen Zunahme des Konsums von industriell hergestellten und stark verarbeiteten Lebensmitteln, die auch als "ultra-processed food" (UPF) oder "ultra verarbeitete Lebensmittel" bezeichnet werden. Neuere Studien, insbesondere von Chen et al. (1920), bringen den Verzehr dieser Lebensmittel mit der Entstehung vieler Stoffwechselkrankheiten in Verbindung, von Asthma bis Depression, von Übergewicht bis zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
NOVA-System
Die Definition von ultra verarbeiteten Lebensmitteln wurde von Carlos Monteiro geprägt, einem Professor für Ernährung und öffentliche Gesundheit an der Universität von São Paulo in Brasilien. Dem Forscher war aufgefallen, dass seltsamerweise, trotz sinkendem Zuckerkauf, die Anzahl von Typ-2-Diabetes und Fettleibigkeit im Land zunahm.
Monteiro und sein Team analysierten daraufhin, wie sich die Ernährung der Bevölkerung ab den 1980er Jahren veränderte, und entdeckten, dass die Verbraucher zwar weniger Zucker und Nahrungsfett kauften, der Verbrauch aber aufgrund von Industrieprodukten, die große Mengen davon enthalten, stark anstieg. Das gemeinsame Element dieser Produkte war gerade der hohe Verarbeitungsgrad.
Monteiro entwickelte daraufhin ein Klassifizierungssystem für Lebensmittel namens NOVA (ein Name, kein Akronym), das eine Unterteilung in vier Gruppen vorsieht und auf dem Grad der Verarbeitung basiert:
- Gruppe 1 - Unverarbeitete oder minimal verarbeitete Lebensmittel (Obst, Gemüse, Eier, Fleisch, Milch, etc.).
- Gruppe 2 - Lebensmittel, die in der Küche verarbeitet werden, um ihre Haltbarkeit zu verlängern. Konkret handelt es sich um Zutaten zum Kochen wie Fette, Kräuter usw., die in Gläsern oder im Kühlschrank für die spätere Verwendung aufbewahrt werden.
- Gruppe 3 - Verarbeitete Lebensmittel, also Lebensmittel, die durch die Kombination von anderen Lebensmitteln aus den Gruppen 1 und 2 gewonnen werden, um die Vielzahl an Lebensmitteln zu erhalten, die aus wenigen Zutaten hergestellt werden und im Haushalt Anwendung finden (Brot, Marmeladen usw.)
- Gruppe 4 - Ultra verarbeitete Lebensmittel, also Lebensmittel mit vielen Zutaten, darunter Lebensmittelzusatzstoffe, die die Geschmackseigenschaften verbessern, verarbeitete Rohstoffe (gehärtete Fette, modifizierte Stärken usw.) und Zutaten, die in der Hausmannskost selten verwendet werden, wie z. B. Sojaprotein oder mechanisch abgetrenntes Fleisch. Diese Lebensmittel werden hauptsächlich industriell hergestellt und zeichnen sich durch den guten Geschmack und die lange Haltbarkeit aus.
Eigenschaften von UPFs
In einigen Industrieländern (wie z. B. in Großbritannien und den USA) machen ultra verarbeitete Lebensmittel bereits seit mehreren Jahrzehnten mehr als die Hälfte aller verzehrten Kalorien aus, und andere Länder holen schnell auf. UPFs gehören mittlerweile einfach zum Alltag dazu. Diese Lebensmittel sind günstig, hochprofitabel für diejenigen, die diese produzieren, stark aromatisiert, aggressiv vermarktet und in Supermärkten auf der ganzen Welt zu kaufen.
Typischerweise haben sie eine ungünstigere Mikro- bzw. Makronährstoffzusammensetzung im Vergleich zu minimal verarbeitete Lebensmittel. Vor allem haben sie oft einen hohen Energiegehalt und enthalten einen besonders hohen Anteil an Natrium, Zucker, Fett und gesättigten Fettsäuren.
Sie unterscheiden sich von anderen Lebensmitteln nicht nur in der Zusammensetzung, sondern auch in der Verwendung. Da sie aggressiv beworben werden und zudem verzehrfertig sind, haben sie enorme Marktvorteile gegenüber Lebensmitteln der anderen Gruppen. Monteiro und seine Kollegen haben in Studien auf der ganzen Welt beobachtet, dass die unter Gruppe 4 fallende Lebensmittel den Verbraucher dazu bringen, "reguläre, frisch zubereitete Mahlzeiten und Gerichte jederzeit und überall durch Snacks zu ersetzen".
Nachfolgende Studien haben gezeigt, dass einerseits Personen, die diese Lebensmittel am ehesten konsumieren, folgende Merkmale aufweisen: männliches Geschlecht, junges Alter, begrenzte verfügbare Zeit und hohe Verweildauer vor dem Fernseher, und dass andererseits ein höheres Bildungsniveau mit einem geringeren Konsum verbunden ist.
Reaktionen auf NOVA
Das NOVA-Klassifizierungssystem wurde von der Lebensmittelindustrie und der Ernährungswelt kritisiert, wobei einige Kritiker argumentierten, dass es einfach eine weitere Definition von Junk Food sei. Es soll klargestellt werden, dass die NOVA als nützliches Instrument zur Beschreibung von Ernährungsmustern und deren möglichen gesundheitlichen Auswirkungen gedacht ist und dass sie nicht vorgeschlagen wurde, um zu behaupten, dass alle industriellen und ultra verarbeiteten Produkte ungesund sind und vermieden werden sollten. Es sind die innewohnenden Eigenschaften von UPF-Produkten, die sie bei übermäßigem Verzehr gesundheitsschädlich machen können, da sie extrem schmackhaft, erschwinglich, zugänglich, günstig und suchterzeugend sind.
Zwar ist es wünschenswert, den Rückgriff auf solche Produkte zu reduzieren, das Ziel, sie vollständig aus der Ernährung zu verbannen, ist jedoch unrealistisch. Aufgrund der Hektik der modernen Gesellschaft ist die Zubereitung von Mahlzeiten zu Hause nicht immer einfach. Zudem haben sich viele Familien daran gewöhnt, sich auf ultra verarbeitete Fertiggerichte zu verlassen. Überdies stellen diese Produkte vor allem für ärmere Bevölkerungsschichten oft auch die günstigste Lösung dar. Da sie preiswert, praktisch, aber auch bunt und ansprechend sind, werden ultra verarbeitete Lebensmittel schließlich zu einem Hauptbestandteil der Ernährung von Kindern.
Um zu versuchen, diesen Trend umzukehren, wäre es daher wünschenswert, die Verwendung ganzer, frischer und minimal verarbeiteter Lebensmittel zu fördern - dies parallel zu den Bemühungen seitens der Lebensmittelindustrie, gesündere Fertiggerichte und ultra verarbeitete Produkte mit einer für den Verbraucher geeigneteren Nährstoffzusammensetzung herzustellen.